[Rezension] "Into The Night. Die Avantgarde im Nachtcafé" von Florence Ostende und Lotte Johnson

 [Werbung/Rezensionsexemplar]

„Oh Paris, quelle bon souvenir.“ Die Stadt der Liebe, Lichter, Kontraste und Mode ist seit Jahrzehnten der Dreh- und Angelpunkt zeitloser und radikaler Neuerfindungen in allen Bereichen der Kunst, Mode und der Gesellschaft im Allgemeinen. So waren es die zahlreichen Kabaretts, Nachtclubs und Cafés im Herzen dieser Großstadt, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Ausgangspunkt einer avantgardistischen, provokativen neuen Kunstform waren.



Dieser eindrucksvolle Bildband bildet eine schier unerschöpfliche Quelle an Illustrationen, Fotografien, Malereien, Skulpturen und Filmpostern, die die mutigen Ideen der Künstler, Musiker, Schriftsteller und Tänzer lebhaft transportieren. Stets im Interesse des Bildbandes liegen dabei auch die Etablissements, in denen die Normen von Kultur und Gesellschaft erst ausgereizt und letztlich über Bord geworfen werden konnten. Die Türen zu den Innenräumen des legendären Chat Noir in Paris werden den Leser*Innen anhand von Fotografien ebenso geöffnet wie die zum Cafés L’Aubette in Straßburg und dem Cabaret Voltaire in Zürich.


Um diese gewaltige Masse an geballter Kunst anschaulich und auch verdaulich zu vermitteln, wurden die unterschiedlichen Strömungen und Zentren dieser Kunstszene nach Städten unterteilt und in jeweilige Kapitel zusammengefasst. Auf diese Weise entsteht überzeugend der Eindruck einer gelebten und erlebbaren Zusammengehörigkeit, ohne dabei je die Übersicht zu verlieren.



Dabei entfaltet jedes Kapitel eine eigene Lebendigkeit, die eine weitere, spannende Facette zum Erlebnis Into The Night hinzufügt. Das Cabaret-Theater Cafe Of The Golden Calf, das 1912 in London eröffnete und aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nur zwei Jahre später wieder schließen musste, findet im selben Maße Erwähnung wie die sehr viel bekannteren Chat Noir in Paris oder Kabarett Fledermaus in Wien. Es sind diese weniger berühmten Schaffensorte, die die Geschichte dieser beinahe hundert Jahre und vier Kontinente umspannenden Avantgardekunst vervollständigen.


Außerdem zu bestaunen gibt es zahlreiche Kunstwerke, die diesen magischen Orten entsprungen sind und die spürbare Energie und bedingungslose Kreativität der Zeit vermitteln. Dazu zählen seitengroße, hochwertige Darstellungen legendärer und landläufig bekannter Werke wie die Lithographie „Réouverture du cabaret du Chat Noir“ von Théophile-Alexandre Steinlen und „Ausblick im Nachtlokal“ von Elfriede Lohse-Wächtler.


Die Geschichte dieser vielen kleinen Satelliten einer geeinten Vision von Kunst und Schauspiel wird dabei nicht nur anhand von Abbildungen erzählt. Jedes Kapitel verfügt über eine ausgiebige Einleitung, die die relevantesten Fakten, Orte, Künstler und Rahmenbedingungen pointiert zusammenfasst. Dabei gehen die Autor*Innen auch stets der Frage nach, auf welche Weise die jeweiligen Schaffensorte zur Entwicklung und Etablierung neuer, radikaler Formen künstlerischen Ausdrucks beitrugen.


Ob zum gelegentlichen Durchblättern oder als extensive Quelle fürs Selbststudium: Die Kabarettszene des 20. Jahrhundert wird hier bildgewaltig, wortgewandt und vollumfänglich dargestellt. Die Buntheit und Vielseitigkeit dieser äußerst inklusiven Szene ist hoch unterhaltsam und - auch und vor allem aus heutiger Perspektive - zutiefst inspirierend.




Eckdaten

Ausgabearten: Hardcover mit Pappband
Seitenanzahl: 344 (325 farbige Abbildungen, 91 s/w Abbildungen)
ISBN: 978-3-7913-5887-1
Erscheinung in Deutschland: 17.02.2020
Preis: 49,00€

Klappentext
Dieses spannende Buch erforscht die Rolle von Kleinkunstbühnen, Clubs und Cafés in der modernen Kunst.

Kabaretts, Clubs und Cafés waren die Wiege eines radikalen Denkens. Hier konnten Künstler provokative Gedanken und Ideen austauschen. Diese Etablissements stellten für Künstler, Tänzer, Designer, Schriftsteller und Musiker, die die Grenzen der kulturellen und sozialen Normen ausreizten, willkommene Orte dar. Die vielschichtige, bebilderte Geschichte über alternative künstlerische Schaffensorte umfasst die Zeit von 1880 bis Ende der 1960er Jahre, behandelt vier Kontinente und sowohl berühmte als auch weniger bekannte kreative Orte der Avantgarde.

Nach Städten zusammengefasst werden Malerei, Zeichnung, Fotografie, Skulptur, Film und Archivmaterial gezeigt, die von über einem Dutzend Kleinkunstbühnen, Clubs und Bars entstammen und die für Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec, Loïe Fuller, Josef Hoffmann, Giacomo Balla, Sophie Taeuber-Arp, Theo van Doesburg, Jeanne Mammen, Jacob Lawrence, Ramón Alva de la Canal und Ibrahim El-Salahi künstlerische Heimat waren.

Das Buch zeigt unter anderem Fotografien aus den Innenräumen des Chat Noir in Paris, des Cafés L’Aubette in Straßburg und des Mbari Club in Nigeria; eine Cocktail-Menukarte aus dem Cabaret Fledermaus in Wien; eine Nachtklub-Stadtkarte von Harlem aus den 1930ern; Plakate und Einladungen, die Vorführungen im Cabaret Voltaire in Zürich und im Café de Nadie in Mexiko-Stadt bewarben, Werke von Otto Dix und Jeanne Mammen, die die Berliner Clubs und Bars in der Weimarer Republik zum Thema haben; und viele Kunstwerke, die aus diesen Orten hervorgegangen sind und die die Energie und die Aufregung der Zeit vermitteln. Mehrere Essays gehen der Frage nach, wie die jeweiligen Orte neue Formen von künstlerischem Ausdruck hervorbrachten und anregten.

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